Schlagwort: Freie Software

  • Wie frei darf oder muss Freie Software sein?

    Mastodon Logo | Mastodon übt den Umgang mit freier Rede

    Diese Frage wurde in der letzten Woche vielerorts im Internet diskutiert. Der Anlass ist, dass der amerikanische Kurznachrichtendienst Gab auf die Fediverse-Plattform Mastodon migriert ist und nun mit mehr als einer Million Accounts den größten Knoten des als »freundliche Alternative zu Twitter« bezeichneten Mircoblogging-Dienstes darstellt.

    Gab als größte Mastodon-Instanz

    Gab dagegen wird oft als »Twitter für Rassisten« bezeichnet, da der Dienst unter dem Mantel der freien Rede monetäre Vorteile daraus zieht, rassistische und andere menschenverachtende Inhalte unmoderiert zu dulden und dem »Far Right Movement« in den USA eine Heimstatt zu bieten. Das ging so weit, dass etwa der Attentäter, der am 27. Oktober 2018 bei einem Anschlag in einer Synagoge in Pittsburgh elf Menschen tötete, seine Tat vorher auf Gab ankündigte.

    Duldung ist Wegschauen

    Der Dienst wird seither als Organisations- und Rekrutierungsplattform für rassistisch motivierten Terror betrachtet. Bei weitem nicht alle Gab-Nutzer sind dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen, aber nach unserem Verständnis in Europa dulden sie durch ihre Zugehörigkeit den Hass, der sich dort manifestiert.

    Mastodon bezieht Stellung

    Seit dem Umzug von Gab auf Mastodon ringt die Open-Source-Community um den richtigen Umgang mit der ungeliebten Plattform. Mastodon selbst bezog bereits am 4. Juli Stellung zu der Gab-Instanz und stellt klar, dass Mastodon in völliger Opposition zu Gab und deren Philosophie steht. So legen die Verpflichtungen für neue Instanzen auf Mastodon fest, dass auf joinmastodon.org nur Server aufgelistet werden, die sich zu aktive Moderation gegen Rassismus, Sexismus und Transphobie bekennen.

    Mastodon überlässt den Betreibern der einzelnen Instanzen die Entscheidung darüber, ob sie bestimmte Domains blockieren. Von dieser Möglichkeit macht nicht nur die Hauptinstanz mastodon.social, sondern auch viele weitere Instanzen Gebrauch. Durch die Bezahlung von Grundfunktionen, die auf Mastodon frei verfügbar sind, benachteilige sich Gab zusätzlich im Vergleich zu jeder Mastodon-Instanz, so die Stellungnahme von Mastodon.

    Freie Apps blockieren Domains

    Die Entwickler der Fediverse-Apps Tusky (Android) und Toot! (iOS) gehen noch einen Schritt weiter und blockieren in ihren Apps bereits im Anmeldebildschirm die Domains von Gab, sodass Gab-Nutzer diese Apps nicht nutzen können, ohne diese zu forken und die Blockade zu entfernen. Hier scheiden sich die Geister, ob Freie Software das darf. Auch purism.one hat gab.com blockiert

    Trotzt dieser Blockaden gibt es erste Berichte von beginnender Infiltration von Mastodon-Knoten durch Gab-Nutzer. Insgesamt herrsche derzeit ein »leicht paranoides Klima«, wie ein Administrator berichtete. Besonders die LGBT-Gemeinde, die von Twitter nach Mastodon umgezogen war, fühlt sich angesichts der Situation unwohl.

    F-Droid diskutiert kontrovers

    Über den Umstand der Blockade auf App-Ebene und die Gab-App wurde auch im Forum des alternativen Android-App-Stores F-Droid in den letzten Tagen kontrovers diskutiert. Dabei ging es auch um die Unterscheidung der Blocklademaßnahmen bei Mastodon als Dienst und der Blockade auf der Ebene von Open-Source-Apps. Das führte nun zu einer öffentlichen Erklärung, in der F-Droid erstmals in seiner fast zehnjährigen Geschichte politisch Stellung bezieht. Der Beitrag erklärt, warum F-Droid als ein Dienst, der Freie Software propagiert, die Gab-App für Android aus dem Katalog entfernt hat.

    Unverständlich!?

    Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation (FSF) äußerte sich auf Nachfrage zu dem Thema, ob Software als frei gelten kann, die Anwendern Restriktionen auferlegt. Stallman ist der Meinung, solche Restriktionen änderten nichts am Status als Freie Software, da ja dem Nutzer freisteht, die Restriktionen wieder zu entfernen. Der Fragesteller stellt in den Kommentaren klar, dass sei nicht die Antwort, die er von Stallman erwartet habe.

    Debian Free Software Guidelines

    Debian, eine der ältesten Linux-Distributionen ist in dieser Frage anderer Meinung und hat dies bereits 1997 in seinen Debian Free Software Guidelines (DFSG) klargestellt. Laut DFSG darf es für Freie Software keine Einsatzbeschränkung geben. Wenn jemand mit freier Software Massenvernichtungswaffen baut, so sei das hinzunehmen. Das findet auch seinen Ausdruck in der ersten der vier Freiheiten, die Freie Software laut der FSF definieren. Dort heißt es eindeutig

    Freedom 0: to use the work, for whatever purpose

    Freie Software oder nicht?

    Demnach sind aus meiner Sicht die beiden Apps, die die Gab-Domains blockieren keine Freie Software. Hier gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Ebenso gibt es keine Einigkeit beim Begriff »freie Rede«. Dabei muss man wissen, dass dieses Konzept in Deutschland juristisch und ideologisch anders definiert ist als freedom of speech in den USA, die durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt ist. Ein soziales Netzwerk wie Gab hätte dagegen bei uns keine Überlebenschance.

    Die Frage, die sich den Anhängern freier Software angesichts dieser Situation stellt ist: Wie frei muss oder wie restriktiv darf Freie Software sein? Wie denkt ihr darüber?

  • Freie Software im öffentlichen Sektor Europas

    Freie Software in Europa
    Bild „Old Europe Spy“ von Maik MeidCC BY-SA 2.0

     

    Angesichts der Rückmigration der bayrischen Landeshauptstadt München von Linux zu Windows und vermutlich LibreOffice zu Microsoft Office und den damit verbundenen enormen Kosten bietet sich ein Blick auf entsprechende Erfolgsgeschichten im In- und Ausland an. Dabei stellt sich heraus, dass die 16.000 Rechner, die die Verwaltung in München unter LiMux und LibreOffice noch betreibt eine vergleichsweise kleine Migration hin zu freier Software war.

    Freie Software in Eurpopa

    Die Stiftung hinter LibreOffice, The Document Foundation (TDF), hat eine Liste herausgegeben, die bereits abgeschlossene oder noch laufende europaweite Migrationen zu Linux oder LibreOffice aufzeigt. Geht es um die nackten Zahlen, so liegt hier Frankreichs Verwaltung vorne. Bereits 2012 wurde der Einsatz von LibreOffice in insgesamt 11 von 17 Ministerien, darunter Gesundheit, Soziales und dem Außenministerium beschlossen. Seitdem wird die Installation von LibreOffice auf einer halben Million Rechnern vorangetrieben. Verantwortlich dafür zeichnet die interministerielle Arbeitsgruppe MIMO, die 2015 bekannt gab, die Umsetzung sei beinahe abgeschlossen.

    Frankreich, Spanien und Italien sind Spitzenreiter

    Zahlenmäßig auf dem 2. Platz liegt Spaniens Provinz Andalusien, wo man bereits 2010 damit begann, Ubuntu in 2.000 Schulen auszurollen. Dabei sollen insgesamt 220.000 Desktops für rund 600.000 Schüler und 75.000 Lehrer mit Ubuntu ausgestattet werden. Das Ziel dieser Migration sind insgesamt 6.000 Schulen. In Italien hat das Verteidigungsministerium im Oktober 2015 im Rahmen des Projekts LibreDifesa damit begonnen, über 100.000 PCs mit LibreOffice auszustatten. Bis 2020 soll das Projekt abgeschlossen sein. Die Office-Suite wird auf allen Rechnern installiert, sobald deren Microsoft-Office-Lizenz ausläuft. So waren 2017 rund 75.000 Rechner bereits mit der Open-Source-Lösung ausgestattet. Das Verteidigungsministerium rechnet mit Einsparungen von 26 – 29 Mio. Euro bis 2020.

    Einsparungen in Millionenhöhe

    In Spanien spart die Region Valencia jährlich 1,5 Mio. Euro an Lizenzkosten, seit dort 2012 rund 120.000 Rechner der Verwaltung mit LibreOffice ausgestattet wurden. Zudem wurden in der Region alle Schulen mit insgesamt 110.000 Rechnern mit der auf Ubuntu LTS basierenden Linux-Distribution Lliurex mit MATE als Desktop ausgestattet. Seit 2015 wurden dabei über 30 Mio. Euro eingespart.

    In Frankreich hat die Gendarmerie seit  2013 rund 72.000 Rechner auf Ubuntu umgestellt. Neben den Einsparungen sei ein weiterer Vorteil die Unabhängigkeit von kommerziellen Herstellern, wie Major Stéphane Dumond vom Innenministerium auf der Evento Linux Konferenz 2013 betonte.

    Deutschland weit hinten

    Die Liste der TDF führt noch viele weitere Migrationen in Europa und aller Welt auf, die eines klar zeigen: Deutschland liegt, was den Einsatz von Open Source und Freier Software angeht, weit hinten. Das einzige Projekt, das für Deutschland aufgeführt ist, wurde in München aus politischem Kalkül in den letzten Jahren schlachtreif geschossen und kürzlich zu Grabe getragen.