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  • Linux- und FreeBSD-Kernel über TCP verwundbar

    Linux- und FreeBSD-Kernel verwundbar
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    Netflix-Entwickler haben vier Sicherheitslücken im TCP-Code der Kernel von Linux und FreeBSD entdeckt. Eine davon kann per Denial-of-Service Attacke zum Auslösen eines Kernel-Panic genutzt werden.

    TCP steht für Transmission Control Protocol und ist ein Netzwerkprotokoll, das bestimmt, wie Daten zwischen Netzwerkkomponenten ausgetauscht werden. Im Gegensatz zum verbindungslosen UDP (User Datagram Protocol) stellt TCP dazu eine Verbindung zwischen zwei Endpunkten einer Netzverbindung her, auf der in beide Richtungen Daten übertragen werden können.

    Angriff per Integerüberlauf

    Die vier Lücken bieten einen Angriffsvektor in der Art, wie die TCP-Implementation im Kernel das Selective Acknowledgement (SACK) gehandhabt wird. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des TCP-Protokolls zur Steigerung des Datendurchsatzes bei Paketverlusten. Dabei wird per SACK nur das neue Paket und nicht der gesamte Inhalt des jeweiligen TCP Receive Window neu angefordert.

    Die Lücke, die durch einen Integerüberlauf beim Verarbeiten des TCP-SACK einen Kernel-Panic und damit den Absturz von Servern herbeiführen kann ist als CVE-2019-11477 katalogisiert. Die anderen drei Verwundbarkeiten erreichen durch Denial-of-Service Attacken eine Ressourcenverknappung, der zum Verlangsamen des Systems, zum Systemstillstand oder -Absturz führen kann.

    Die beiden anderen Linux betreffenden Lücken sind unter CVE-2019-11478 und CVE-2019-11479 katalogisiert. Die Lücke im Kernel von FreeBSD trägt die CVE-Nummer 2019-5599. Die mit Priorität hoch kategorisierte Lücke CVE-2019-11477 ist in allen Linux-Kerneln seit 2.6.29 aus dem Jahr 2009 vertreten.

    Bereits geschlossen

    Unter Linux wurden die Lücken bereits für die stabilen Kernel-Versionen 4.4.182, 4.9.182, 4.14.127, 4.19.52, sowie 5.1.11 geschlossen. Anwender, die nicht auf einen dieser Kernel aktualisieren können, behelfen sich mit einem Workaround, indem sie mittels

    sudo echo "0" > /proc/sys/net/ipv4/tcp_sack
    sudo echo "0" > /proc/sys/net/ipv6/tcp_sack

    die Unterstützung für TCP-SACK deaktivieren. Der Hack ist nicht permanent und muss nach einem Neustart wiederholt werden.

  • Linux 5.1 kann zu Datenverlust führen

    Fehler in Kernel 5.1
    Bild: Penguins | Quelle: pxhere | Lizenz: CC0

    Kernel 5.1 hat einen Fehler im Device Mapper eingeführt, der unter bestimmten Umständen zu massivem Datenverlust führen kann. Vorweg sei gesagt, dass der Fehler nur verschlüsselte Systeme betrifft. Wer nicht zu diesem Anwenderkreis gehört, muss sich also keine Sorgen machen.

    Fehler in Kernel 5.1

    Die bisher bekannten Betroffenen nutzten alle LVM und das Crypto-Modul dm-crypt in Zusammenhang mit einer Samsung-SSD. Letzteres kann bei der großen Verbreitung dieser Hardware nach meiner Einschätzung auch Zufall sein.

    TRIM ist übereifrig

    Der tatsächliche Datenverlust ist der TRIM-Funktion zuzuschreiben. Sie dient zur Markierung ungenutzter oder ungültiger Datenblöcke hauptsächlich auf SSDs zum Zweck der späteren Wiederbeschreibung. Das sind meist Bereiche, die von zuvor vom Anwender gelöschten Daten belegt waren.

    https://twitter.com/michael__lass/status/1130881332471427072

    TRIM vorerst abschalten

    Deshalb sollten Anwender mit dieser Kombination Befehle wie fstrim oder discard deaktivieren, bis der Bugfix, der in Kernel 5.1.5 enthalten ist, bei euch angekommen ist. Das gilt sowohl, wenn in /etc/fstab TRIM per discard aktiviert ist als auch für über einen Cronjob oder Systemd-Timer festgelegten fstrim Befehl. In der fstab wird dazu die Option discard entfernt, den fstrim-timer stellt man über zwei Befehle ab:

    systemctl disable fstrim.timer
    systemctl stop fstrim.timer

    Kernel 5.1.5 mit Bugfix

    Der kritische Fehler in Kernel 5.1, der auch in der Vorabversion 5.2rc1 vorhanden ist, wurde bei Red Hat und bei Arch Linux dokumentiert. Mittlerweile ist der Commit, der die Regression einführte bekannt und ein Patch im Git erschienen, der mit Linux 5.1.5 mittlerweile ausgerollt wird. Wenn ihr zum gefährdeten Anwenderkreis gehört, achtet bitte auf das Erscheinen von Linux 5.1.5 für eure Distribution und vergesst nicht, hinterher discard oder fstrim wieder einzuschalten.

  • Linux 5.0 – was ist neu?

    Linux 5.0
    Bild: Krd Lizenz: CC BY-SA 3.0

    Linus Torvalds hat am gestrigen Sonntag Linux 5.0 freigegeben, den ersten offiziellen Kernel, der mit einer 5 beginnt. Der Entwicklungszyklus war mit acht Vorabversionen etwas länger als gewöhnlich, die Zahl der Einreichungen liegt bei rund 12.800 und macht 5.0 zu einem eher kleinen Kernel-Release. Man muss bis zu 4.7 vom Juli 2016 zurückgehen, um einen Entwicklungszyklus zu finden, der weniger Changesets als 5.0 hatte.

    Kleiner Kernel 5.0

    Die Zahl der Beitragenden lag mit 1.712 – davon 276 Ersttäter – im Mittelfeld. Ansonsten hat der Sprung auf 5.0 anstatt 4.21 wenig Bedeutung, wie Torvalds wiederholt betont. Er möchte einfach nicht, dass die Zahl der Unterversionen zu hoch wird, oder wie er scherzhaft sagt: »Mir gehen Finger und Zehen zum Zählen aus.«

    Endlich FreeSync

    Lange mussten Besitzer von AMD Radeon Grafikkarten warten, bis FreeSync unter Linux verfügbar war. Mit Kernel 5.0 ist es nun so weit, der AMDGPU-Treiber unterstützt diese Technik. FreeSync ist der Markenname für eine Synchronisationstechnologie für LCDs, die eine dynamische Bildwiederholfrequenz unterstützen, um Screen-Tearing zu reduzieren.

    Zudem kann FreeSync die Akkulaufzeit verbessern, indem die Aktualisierungsrate des Panels reduziert wird, wenn keine neuen Bilder empfangen werden. Voraussetzung ist neben einer Radeon AMD Radeon R5-, R7- oder R9-Karte auch Mesa 19.0.

    Librem 5 SoC unterstützt

    Aufseiten von verbessertem Hardware-Support wird nun der NXP i.MX8 SoC unterstützt, der beim kommenden Linux-Phone Librem 5 zum Einsatz kommt. Weiterhin werden initial NVIDIA Turing GPUs sowie Intel Icelake Gen11 Graphics unterstützt. Der Raspberry Pi erhielt einen Touchscreen-Treiber.

    Adiantum ersetzt Speck

    Googles Verschlüsselungsalgorithmus Adiantum tritt an die Stelle des wieder aus dem Kernel entfernten Algorithmus Speck. Adiantum soll Verschlüsselung auf Geräten mit nur wenig Ressourcen erleichtern. Zudem wurde ​​die aus Russland stammende Standard-Crypto-Hash-Funktion Streebog in den Kernel aufgenommen.

    Die Entwickler haben einen der beiden Block-Layer-Ansätze entfernt und damit auch die I/O-Scheduler CFQ und Deadline. Als Ersatz stehen die moderneren Scheduler BFQ und Blk-Mq weiterhin zur Verfügung.

    Btrfs kann wieder Swap-Dateien

    Bei den Dateisystemen erhält Btrfs erneut Unterstützung für Swap-Dateien. Binderfs, das der Inter-Prozess-Kommunikation unter Android dient, wurde von Greg-Kroah-Hartman eingebracht. Der Mechanismus, auf dem auch die beiden geplanten Busse Bus1 und KDBUS aufsetzen, kann jetzt auch aus Containern heraus genutzt werden. Das F2FS-Dateisystem (Flash-Friendly File-System), das jetzt auch von Googles Pixel-Geräten unterstützt wird, erhielt einige Verbesserungen.

    Die aktuelle Version von Linux kann von Kernel.org bezogen werden. Das zweiwöchige Fenster für Einreichungen zu Linux 5.1 ist nun geöffnet. Wie immer bietet die Seite Kernel Newbies eine detaillierte, leicht verständliche Zusammenfassung der Änderungen zu Kernel 5.0

  • Linux 5.0 anstatt 4.21

    Linux 5.0
    Bild: Krd Lizenz: CC BY-SA 3.0

    Linus Torvalds hat am Wochenende Linux 5.0-rc1 veröffentlicht und damit den Umstieg vom Vorgänger 4.20 auf eine neue Hauptversion eingeleitet. Wie Torvalds in der Ankündigung schreibt, gibt es keinen direkten Anlass für den Wechsel auf die 5. Wer einen solchen brauche, könne einfach annehmen, Torvalds seien die Finger und Zehen ausgegangen, um weiter hochzuzählen.

    Keine Regel

    Der letzte Wechsel auf eine Hauptversion fand 2015 von 3.19 auf 4.0 statt. Somit war allerseits bereits im alten Jahr erwartet worden, dass anstatt 4.20 beim neuen Kernel eine 5 vorne stehen würde. Da Torvalds jedoch keine Regel etablieren wollte, wurden die Erwartungen diesbezüglich enttäuscht.

    Mit der Veröffentlichung der ersten Vorabversion des neuen Kernels schließt sich auch das über die Feiertage geöffnete, zweiwöchige Merge-Window, das Fenster für die Einreichung neuen Codes für den Kernel. In den nächsten Wochen geht es um die Konsolidierung der eingereichten Neuerungen.

    Durchschnittliche Größe

    Die Einreichungen für Kernel 5.0 sind mit rund 11.000 von der Anzahl her nicht rekordverdächtig, sondern eher Durchschnitt. Kernel 4.20 lag hier mit über 14.000 Änderungen eher im oberen Bereich. Auch statistisch sind keine besonderen Abweichungen vom Mittelwert zu beobachten.

    Rund 50 Prozent entfallen auf Treiber, 20 Prozent sind
    Architektur-Updates, 10 Prozent betreffen Werkzeuge und die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf Netzwerk, Dateisysteme und Dokumentation.

    EPYC Rome besser unterstützt

    Unter den Neuerungen sind, wie gewohnt, viele Änderungen bei Prozessoren und Grafikkernen. Die Integration von AMDs CPU EPYC Rome wird weiter ausgebaut. Die bereits lang erwartete Unterstützung für AMD FreeSync wird ebenfalls eingeführt. Erstmals unterstützt wird auch der Raspberry Pi Touchscreen sowie das unter anderem vom im April erwarteten Linux-Smartphone Librem 5 verwendeten i.MX 8M-SoC.

    Für Nvidias Turing-Architektur werden GeForce-RTX-Karten für den Gaming-Bereich initial unterstützt. Bei den Dateisystemen wird das virtuelle BinderFS implementiert. Binder ist der Kernel-Treiber für die Interprozess-Kommunikation bei Android.

    Crypto Algorithmen ausgetauscht

    Die aus Russland stammende Standard-Crypto-Hash-Funktion Streebog wurde in den Kernel aufgenommen. Während der umstrittene Verschlüsselungsalgorithmus Speck mit 4.20 entfernt wurde, kommt nun mit 5.0-rc1 Adiantum hinzu und soll Verschlüsselung auf Geräten mit wenig Ressourcen erleichtern.

    Das sind nur einige der Verbesserungen, mit denen Linux 5.0 aufwarten wird, wenn Ende Februar oder Anfang März die stabile Version freigegeben wird.

  • Linux 4.20 unterm Weihnachtsbaum

    Linux 4.20
    Photo by Aaron Burden on Unsplash

    Am gestrigen Sonntag hat Linus Torvalds Linux 4.20 freigegeben. Der neue Kernel wuchs um über 350.000 neue Zeilen, die sich auf rund 14.000 Änderungen verteilen. Es wurden mehr als 11.400 Dateien geändert. Damit liegt die neue Ausgabe im Trend der letzten Veröffentlichungen. Auch die Verteilung der Patches ist nicht ungewöhnlich, rund zwei Drittel entfallen auf Treiber, der Rest auf Netzwerk, Dateisysteme und Werkzeuge.

    Grafiktreiber

    An prominenter Stelle bei den Änderungen zu Treibern für Linux 4.20 ist AMD zu nennen. Die Entwickler des Grafikkartenherstellers fügten weiteren Code für die demnächst auf neuen Karten ausgelieferte AMD Vega 20 GPU bei, die damit fast komplett unterstützt ist. Darüber hinaus werden nun auch die GPUs mit den Codenamen Raven 2 und Picasso unterstützt. Der freie Nvidia-Treiber Nouveau erhielt initiale Unterstützung für HDMI 2.0.

    Dateisysteme

    Bei den Dateisystemen standen Verbesserungen der Leistung von Btrfs im Vordergrund. Aber auch Ext4, XFS, F2FS, Device Mapper und Ceph erhielten Patches. Im Verlauf der Entwicklung zu Linux 4.20 standen die Entwickler auch vor der Aufgabe, ein Problem zu lösen, dass unter bestimmten Bedingungen bei Verwendung von Ext4 zu Datenverlusten führen konnte. Im Endeffekt war aber nicht das weit verbreitete Dateisystem schuld, der Fehler wurde nach langer Suche im Multi-Queue-Block-Layer Blk-MQ  aufgespürt.

    Um so wichtiger ist es, dass bei den Blocktreibern die Umstellung auf eine neue Version vorbereitet wird, die alte wird vermutlich bereits mit 4.21 entfernt. Im Rahmen dessen wurden zahlreiche Blocktreiber auf das Multiqueue-API umgestellt.

    Speck ist weg

    Der umstrittene, erst kürzlich mit Linux 4.17 in den Kernel aufgenommene Verschlüsselungsalgorithmus Speck wurde in Linux 4.20 wieder entfernt. Google entzog dem eigentlich für Android vorgesehenen Code das Vertrauen. Das lag nicht an der Technik – Speck ist ungebrochen – sondern an seiner Herkunft, denn der Algorithmus wurde von der NSA entwickelt. Die ISO-Standardisierung wurde Speck verweigert, da die NSA nicht bereit war, detaillierte Fragen zu dem Algorithmus zu beantworten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Ferner liefen…

    Weiterhin wurde die Virtualisierung mit KVM verbessert, die nun auch in einer VM via Nested Virtualization weitere VMs erlaubt. Unterstützung gibt es auch für das Raspberry Pi Compute Module 3. Der TCP-Stack liefert Pakete künftig mit einem neuen Algorithmus aus, der nicht nur schneller, sondern auch sicherer sein soll.

    Viele Beobachter hatten erwartet, dass der neue Kernel analog zu dem Wechsel auf 4.0 nach 3.19 nun 5.0 heißen würde. Da sich Torvalds aber nicht auf ein Schema festlegen lassen will, hieß es, Linux 5.0 werde in 2019 kommen. Zunächst ist jedoch das Merge-Window für Einreichungen zu 4.21 eröffnet.

  • Der Code of Conduct und ein fehlender Kernel

    Code of Conduct
    Bild: Penguins | Quelle: pxhere | Lizenz: CC0

     

    Eigentlich haben viele im Linux-Dunstkreis heute Morgen beim Öffnen ihres Feed-Readers erwartet, die Veröffentlichungsnotiz für Linux 4.19 vorzufinden. Da war aber nichts. Der Grund für die Verspätung ist vermutlich die heutige Eröffnung des Open Source Summit in Edinburgh. Wenn es also keinen neuen Kernel gab, entschloss ich mich, zunächst einen Blick auf den nicht unumstrittenen Code of Conduct (CoC) und die Ereignisse der letzten Tage drumherum zu werfen.

    Neuer Code of Conduct

    Der neue Code of Conduct wurde ohne Öffentlichkeit etwa zeitgleich mit dem Beginn von Linus Torvalds Auszeit in den Kernelbaum eingebracht. Greg Kroah-Hartman hat das zwar als übliches Verhalten bei Dingen bezeichnet, die unter Richtlinien subsummiert werden können oder kontrovers sind. Aber in der gegebenen Situation sorgte ein neuer, still und leise eingebrachter Verhaltenscodex für Irritation bei vielen Entwicklern.

    Kritik am CoC

    Allgemein wurde erwartet, dass der Kritik an einigen Punkten des CoC noch vor der Veröffentlichung von Kernel 4.19 und dem Konferenzbeginn in Edinburgh Rechnung getragen würde. So hat Kroah-Hartman dann auch am Samstag eine Patch-Serie eingereicht, die sich einigen dieser Kritikpunkte annimmt und zudem ein Papier mit einer »Gebrauchsanweisung« hinzufügt.

    Rolle der Maintainer

    Bei den Änderungen ging es beispielsweise um die Rolle der Maintainer, die in der Originalfassung für die Durchsetzung des CoC zu sorgen hatten oder mit einem Nachspiel rechnen mussten. Das hat verständlicherweise für Unruhe gesorgt und so wurde dieser Passus gestrichen. Diesmal wurden die Änderungen einer größeren Anzahl an Entwicklern vorgelegt, bevor die Patches rausgingen.

    In the end, "be kind to each other" is really what the end goal is for everybody. GKH

    Gebrauchsanweisung

    Großen Raum nimmt der Patch mit der Code of Conduct Interpretation ein, die erklärt, wie der CoC zu handhaben ist. Das Dokument stellt klar, dass man zwar freundlicher miteinander umgehen will, dass das aber nicht bedeutet, dass das Maß an Kritik, das den Einreichungen der Entwickler entgegengebracht wird, abnimmt. Der Entwicklungsprozess habe sich als der robust erwiesen, so wie er ist.

    Die Verantwortung der Maintainer in Bezug auf den CoC wird als der Wille, durch gutes Beispiel zu führen definiert. Es geben aber keine neuen Anforderungen an die Maintainer, das Verhalten anderer Entwickler direkt in irgendeiner Weise zu handhaben. Sie sollen allerdings versuchen, aufkommende Probleme zu lösen und wenn nötig an das »Technical Advisory Board« (TAB) oder die Mediatorin Mishi Choudhary heranzutragen.

    Alles rein menschlich

    Da viele Menschen an diesem Projekt arbeiten, wird es immer wieder menscheln und dabei auch Ausrutscher geben. Diese können nach dem neuen CoC wie ein Fehler im Code einer Software behandelt werden. Wenn also jemand in einer Mail unerwünschte Ausdrücke verwendet, kann jemand, der sich davon negativ angesprochen fühlt, einen Bug eröffnen, um die beanstandete Stelle abzuändern. Das gilt allerdings nicht rückwirkend. Linus Torvalds frühere verbale Entgleisungen bleiben uns in seinen alten E-Mails also auch künftig erhalten.

    Mittlerweile ist dann auch Linux 4.19 samt der Änderungen am CoC von Kroah-Hartman veröffentlicht worden, der damit den Staffelstab wieder an Torvalds zurückgibt.

     

  • Die Gerüchteküche brodelt in der Kernel-Community

    Die Gerüchteküche brodelt in der Kernel-Community

    Am Wochenende hat Greg Kroah-Hartman mit Linux 4.19-rc5 erstmals in Eigenregie einen der wöchentlichen ReleaseKandidaten für den Linux-Kernel freigegeben. Der Grund dafür ist die zeitweise Abwesenheit von Linus Torvalds. Dieser hatte vor einer Woche erklärt, er nehme eine Auszeit und werde sich professionelle Hilfe suchen, um sein über die Jahre kultiviertes Verhalten von teils persönlich verletzenden Tiraden gegenüber den Kernel-Entwicklern auf der Mailingliste LKML zu ändern.

    Zudem entschuldigte er sich bei seinen Kollegen. Bereits Tage zuvor akzeptierte Torvalds einen verbindlichen Verhaltenscodex, was er bisher, genauso wie eine Änderung seiner rethorischen Entgleisungen, immer kategorisch abgelehnt hatte.

    Gerüchteküche brodelt

    Kaum war die Nachricht veröffentlicht, begannen in der Linux-Community Gerüchte zu sprießen. Anlass dazu lieferte unter anderem das Empfinden, dass die 180-Grad Kehrtwende, die Torvalds mit seiner Mail vollzogen hatte, nicht ohne Druck von außen geschehen sein könne. Hinzu kamen weitere Indizien, die Anlass gaben, mehr dahinter zu vermuten als dass Torvalds endlich einsichtig seinen Kritikern recht gegeben habe und Besserung gelobe.

    So veröffentlichte das wöchentlich erscheinende US-Kult-Magazin The New Yorker zwei Tage nach der Mail einen Artikel über Torvalds und seinen Sinneswandel, an dem dieser offenbar mitgewirkt hatte. So erweckte die eigentlich eher normale Erklärung, eine Auszeit nehmen zu wollen, einen größeren, konzertiert wirkenden Zusammenhang.

     Neuer Code of Conduct

    Die meisten Befürchtungen, dies sei mehr als eine Auszeit zur Selbstbespiegelung erweckte aber die Herkunft des neuen Code of Conduct, den in gleicher Form bereits andere Projekte einsetzen. Er ist von einem Contributor Covenant abgeleitet, der von  der nicht unumstrittenen Coraline Ada Ehmke stammt, die sich selbst als »Notorious Social Justice Warrior« bezeichnet.

    Diese Gruppierung, die in den USA gängig als SJW bezeichnet wird, setzt sich aus Aktivisten für soziale Gerechtigkeit, Feminismus, Geschlechtergleichheit und Bürgerrechte zusammen, hat nicht gerade den besten Ruf, hält sich oft nicht an die eigenen Prämissen und ist als populistisch verschrien.

    Umstrittene Social Justice Warriors

    Aktivisten aus den dort versammelten Communities versuchten seit 2015, Linux unter das Contributor Covenant zu zwingen. Dabei geht es ihnen darum, den vermeintlich vorherrschenden Typus des »männlichen weißen heterosexuellen Entwicklers« vom Thron zu stoßen und mehr Vielfalt einzuführen. Das wird von Kritikern vielfach als Wichtigtuerei abgetan.

    In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Torvalds über die Jahre angeblich mehrfach mit vermeintlichen sexuellen Übergriffen kompromittiert werden sollte. Er soll nie darüber gesprochen haben, aber seitdem immer vermieden haben, auf Konferenzen alleine mit weiblichen Teilnehmenr zu sein. Darüber berichtete der über Verschwörungstheorien erhabene Eric Raymond 2015 in einem Blog.

    Gefahr für den Kernel?

    Jetzt antwortet Raymond direkt auf LKML auf eine weitere Entwicklung der letzten Tage, die Anlass zur Sorge gíbt. Es geht um die Behauptung, dass einige Kernel-Entwickler drohen, die Lizenz an ihrem gesamten Code zu entziehen, was großen Schaden für den Kernel bedeuten könnte. Verschiedene Leute bezogen hierzu Position, was die gerichtliche Durchsetzbarkeit eines solchen Handelns anbelangt. Die Entwicklung der letzten Tage wurde auf lulz.com zusammengefasst.

    Raymond, der die Open-Source-Szene seit 25 Jahren begleitet und oft genug analysiert hat, ist der Meinung, dass zumindest in den USA diese Drohung durchaus vor Gericht durchsetzbar sei. Er plädiert zu Ruhe und Besonnenheit. Torvalds bleibt vorerst unsichtbar, viele Leute glauben auch nicht, dass er in seine Position zurückkehrt, sondern vielleicht künftig einen Beraterposten einnimmt.

    Pistole auf der Brust?

    Die Spekulationen, wer Torvalds die Pistole auf die Brust gesetzt haben könnte, um ihn in die Rolle des politisch korrekten Anführers zu zwingen, schießen ins Kraut. An vorderster Front steht hier die Linux Foundation im Verdacht, die in den letzten Jahren viel Zuwachs aus der Industrie und viel Verlust an Kredibilität in der Szene hatte.

    Weiterhin im Verdacht stehen große Unternehmen, die Kernel-Entwickler beschäftigen. Die Social Justice Warriors werden hier als instrumentalisierte Gruppe gesehen, die aus ihrer Geltungssucht und Mediengeilheit heraus den Job derjenigen erledigen, die Linux Übernahme-reif schießen wollen.

    Viel Spekulation, wenig Klarheit – so muss das bisherige Fazit lauten. Dass Torvalds Auszeit die Szene eine Weile beschäftigen würde, war abzusehen. Das Ausmaß ist allerdings erschreckend, besonders wenn sich die Gerüchte ganz oder teilweise bestätigen sollten.

  • Wichtige Neuerungen für Ubuntu 17.10

     

     

     

    Neuerungen für Ubuntu 17.10
    Bild: Canonical

     

    Ubuntu 17.10 »Artful Aardvark« erfährt in den kommenden Tagen zwei wichtige Änderungen. Am morgigen Donnerstag wird die im Oktober 2017 veröffentlichte Ausgabe Ubuntu 17.10 erneut als Ubuntu 17.10.1 veröffentlicht. Es ist dies das erste Mal, dass eine Ausgabe von Ubuntu, die nicht mit der Langzeitunterstützung LTS ausgestattet ist, ein Punkt-Release erhält. Grund für die Neuveröffentlichung ist ein Fehler in einem Treiber, der dazu führen konnte, das Notebooks von Lenovo und anderen Herstellern bereits nach dem Booten der Live-Medien von Ubuntu 17.10 ein korrumpiertes BIOS aufweisen konnten.

    Fatale Folgen

    Die Folgen reichten von nicht mehr speicherbaren BIOS-Einstellungen über den Verlust der Bootfähigkeit per USB bis hin zu gar nicht mehr bootenden Systemen. Daraufhin zog Canonical das Desktop-Image von Ubuntu 17.10 vom Download-Server zurück, weshalb auch mit Fug und Recht von einer Neuveröffentlichung gesprochen werden kann. Der Grund für den fatalen Fehler war schnell gefunden. Der Intel-SPI-Treiber, der unter anderem dazu dient, das BIOS aus dem System heraus aktualisieren zu können, war schnell als der Schuldige ausgemacht. Die Ubuntu-Entwickler hatten diesen Treiber im Kernel aktiviert. Der Hilfstext weist darauf hin, dass man genau wissen sollte was man tut, wenn man den Treiber aktiviert.

    Neuveröffentlichung

    Ubuntu-Entwickler Steve Langasek kündigte vor einigen Tagen auf der Ubuntu-Mailing-Liste für den 11. Januar eine Neuveröffentlichung von Ubuntu 17.10 an. Vermutlich werden auch einige andere Varianten aus der Ubuntu-Familie neue Images erhalten. Bei den Daily-Builds steht unter dem Stichwort  »Artful Dot One« bereits seit Tagen ein entsprechendes Ubuntu-Image bereit. Die Neuveröffentlichung am morgigen 11.1 war angesichts des nahenden Endes der Unterstützung für Ubuntu 17.04 »Zesty Zapus« am 13. Januar notwendig geworden.

    Kernel-Patches bis zurück zu Ubuntu 12.04 ESM

    Dabei blieb keine Zeit, sich um die Eindämmung von Meltdown und Spectre zu kümmern. Der Ubuntu-Kernel 4.13.0.21,  der mit 17.10.1 veröffentlicht wird, enthält keine Patches gegen die Lücken. Deshalb sollten Neuinstallationen von 17.10.1 gleich ein Update erhalten. Dazu wird heute noch der Kernel 4.13.0.25.26, der die KPTI-Patches gegen Meltdown enthält, veröffentlicht. Außerdem werden Kernel 4.4.0-108.131 für Ubuntu 16.04 LTS, Kernel 3.13.0.139.148 für Ubuntu 14.04 LTS und 4.4.0-108.131~14.04.1 für Ubuntu 14.04.5 LTS veröffentlicht.  Für Ubuntu 12.04 ESM (Extended Security Maintenance) mit verlängertem Support steht Kernel 3.2.0-132.178 bereit, für Ubuntu 12.04.5 ESM trägt der gepatchte Kernel die Versionsnummer 3.13.0.139.129. Zudem gibt es einen neuen gepatchten  Nvidia-Treiber 384.111.

  • Der Linux-Kernel 2017

    Linux-Kernel 2017
    Bild: Krd Lizenz: CC BY 2.0

     

    Linux hat sich als eines der erfolgreichsten kollaborativen Entwicklungsprojekte der Geschichte in der Open-Source-Software-Welt durchgesetzt. Mit zunehmendem Wachstum dominiert Linux auch fast jeden Markt, in den es eintritt, einschließlich Cloud, Mobile, Embedded und Supercomputing.

    Michael Larabel von Phoronix hat mittels GitStats  aktuelles Zahlenmaterial über die Kernel-Entwicklung im Jahr 2017 ermittelt. Demnach gab es im vergangenen Jahr insgesamt 71.552 Commits. Dabei wurden 3.911.061 Zeilen zum Kernel hinzugefügt und 1.385.507 entfernt, was bereinigt zu einer Nettozunahme von rund 2,5 Mio. Zeilen Code führte. Die Anzahl der Commits war allerdings die niedrigste seit 2013. So wurden 2015 75.770 Commits eingereicht, während es 2016 bereits 76.892 waren. Im Jahr 2013 wurden rund 70.900 Commits verzeichnet.

    Imposanter Zuwachs

    Waren es 2017 auch weniger Commits als in den vergangenen Jahren, so war der Zuwachs insgesamt der größte, der je verzeichnet wurde. Das bedeutet, dass die Commits durchschnittlich in der Größe zugelegt haben. So trugen 2017 einige wenige Commits von Entwicklern wie Red Hats Dave Airlie zu AMD-Grafiktreibern wie AMDGPU DC gleich Hunderttausende neue Zeilen zum Kernel bei. Der erreichte zum Jahresende 25.359.556 Zeilen, die sich auf 62.296 Dateien verteilen.

    8,5 Änderungen pro Stunde

    Die 2017 veröffentlichten Kernel-Versionen reichen von 4.10 am 19. Februar bis 4.14, der am 13.11. freigegeben wurde. In diesem Zeitraum wurden pro Stunde durchschnittlich 8,5 Änderungen am Kernel angenommen, während es für 2016 noch 7,8 Änderungen pro Stunde waren. Über 4.300 Entwickler, die bei mehr als 500 Firmen angestellt waren, trugen 2017 zum Kernel bei. Davon tätigten 1.670 Entwickler 2017 ihren ersten Kerne-Commit. Die Firmen, die dabei die meisten Commits einreichten sind Intel, Red Hat, Linaro, IBM, Samsung, SUSE, Google, AMD, Renesas und Mellanox.

    Neben den erwähnten GitStats finden sich viele weitere Zahlen und Fakten zur Kernel-Entwicklung im Jahr 2017 im von der Linux Foundation jährlich herausgegebenen Linux Kernel Development Report 2017.